Rune ReyheEthnologist, Berlin[ Art scene ] [ B'Art ] [ Art East ] [ Museum Studio ] |
Räume im ethnologischen KirgistanThis page will not be translated.Die Lehre von den Gesellschaften und Kulturen hat sich schon lange mit dem Konzept des Raumes beschäftigt. Levi-Strauss, ein kleiner Ethnologe, suchte u.a. in den räumlichen Strukturen auch die Strukturen der allgemeinen Lebensorganisation von Kulturen. Er vertrat die Ansicht, menschliches Denken könne in Strukturen, in kleinsten Syntaxeinheiten als quasimathematische Formel gefasst werden. Diese Strukturen fanden sprachlichen, verwandtschaftlichen aber auch räumlichen Ausdruck in der Empirie. Dort könne man sie erfassen oder besser auflauern - heute würden wir sagen: herauslesen. Eine der grundlegenden Strukturen, die unsere Denkkategorien mitbestimmen seien die »binären Oppositionen«: die verstandene Welt gliedert sich in Paare zweier gegensätzlicher Elemente: schwarz-weiß, gut-böse, alt-jung - und räumlich: links-rechts, vorne-hinten, drinnen-draußen und (was für das bergige Kirgistan sicherlich nicht ganz ohne Belang ist) oben-unten. In der Zwischenzeit hat der eine oder andere Wissenschaftler gegen Levi-Strauss aufgemuckt. Vor allem sein universalistischer Anspruch die Formel allen Menschlichen Denkens schlechthin, die Struktur der Strukturen, herausarbeiten zu können stieß auf viel Widerstand. Geisteswissenschaftler sehen sich allgemein als Spezies gefährdet wenn an ihren Forschungsobjekten nicht eine gewisse Portion Mystizismus bleibt. Außerdem hatte die Empirie, die erlebte und beobachtete Wirklichkeit eine nervige Tendenz dazu die schönen Modelle Levi-Strauss' nicht folgen zu wollen. Heute, im Kielwasser der Postmoderne, arbeiten Ethnologen weniger mit Strukturen im Raum, sondern betrachten den Raum kognitiv als Speicherort für Identitäten und als Objekt sozialer Konstruktionsverfahren. Doch wir können von Levi-Strauss immer noch viel lernen. Er liefert uns zwar keine wasserdichte Theorie zum tiefen und endlichen Verständnis anderer Kulturen auf mathematischem Wege, wie er es gerne wollte. Er entwirft uns aber ein analytisches Werkzeug mit dem wir uns anschauen können wie Gesellschaft sich in uns zunächst fremden Sprachspielen entfaltet. Dazu gehört auch das Verständnis von Raum.
Auf der Suche nach oben und unten (Orientierungsbeschwerden im Fremden)In der Literatur, die ich zu Kirgistan gelesen habe ist das Prinzip oben-unten als Richtungen ausgeführt. Eldi (oben) sei dort wo die Sonne aufsteht und Öldi (unten) dort wo sie untergeht. Hieraus können dann wilde Schlussfolgerungen abgeleitet werden über das Weltverständnis der Kirgisen. Zunächst wollte ich mir aber anschauen ob diese Vorstellung nun auch heute in der Empirie, also außerhalb der Modelle, anzutreffen ist.Mein erster Gesprächspartner zu diesem Thema war ein alter Mann. Er bestätigte mir diese Ordnung: »wir Kirgisen richten uns in der Zuordnung von oben und unten nach der Sonne«. Allerdings, so gab er zu, würde man auch sagen man gehe nach oben, steige man auf jenen Berg dort, westlich von uns. Auf die Hochweide oder in den Wald, weg von dem Dorf oder der Stadt sei ebenfalls hoch, hörte ich in den nächsten Tagen oft. »Hoch« könnte also geographisch höher gelegen, verwaltungstechnisch zentral oder der Osten bedeuten. »Ich fahre hinunter« (»eldi«), sagte ein Junge. Damit meinte er in die nächste größere Stadt. Allerdings liegt diese Stadt auch geographisch tiefer als das Dorf. Ich fragte also zu einem anderen Dorf, von dem ich wusste, dass es geographisch höher liegt als unser Dorf aber dem regionalen Zentrum näher ist. Man sagte mir dorthin fahre man hinunter. Wenige Tage später erklärte mir eine Frau jedoch dass man hinunter sage um an diesen Ort zu gelangen, wenn man über die geteerte Straße dorthin gelange. Diese Straße führt zunächst Tal abwärts um sich dann an einer Abzweigung zum anderen Dorf hoch zu schlängeln. Reite oder gehe man jedoch durch den Wald ins andere Dorf, so sagt man »hoch«. Hier muss man zunächst einen Bergrücken erklimmen um dann in die nächste kleine Talung abzusteigen. Ich war etwas verwirrt. Es geht hier also auch um die unmittelbare Richtung, in die man sich von seinem Ausgangspunkt aus bewegt. Zumindest dann, wenn es um das Verhältnis zweier Orte geht. Nach Bischkek fahre man jedoch »hoch« auch wenn es die selbe geteerte Straße ist, auf der man das Dorf verlässt wie wenn man in das andere Dorf hinunter fährt. Für einige Orte hörte ich beides. Das galt z.B. für ein Waldstück, welches geographisch direkt höher aber in der Richtung des Regionszentrums gelegen war, wo aber nur eine übersehbare Ansammlung von Häusern errichtet worden waren. Dorthin ging man auf und ab.
»Wir Kirgisen«, so sagte mir ein pensionierter Lehrer, »richten uns in der Beurteilung von oben und untern nach der Fließrichtung des Wassers.« In einem Taxi fragte ich eine junge Frau wo für sie hier oben und unten sei. Sie erwiderte sie sei nicht von hier und wisse es daher nicht. Um uns herum ragten zu allen Seiten Felsen steil empor, darunter begleitete uns ein Fluss von einer Kurve zur nächsten. Der pensionierte Lehrer erklärte mir geduldig es sei die Fließrichtung der großen Flüsse gemeint. So sei in Jalal Abad, wo die großen Flüsse von Ost nach West ins Ferghanatal fließen der Osten oben. In Bischkek jedoch, wo die Flüsse aus dem Süden in die kasachische Steppe fließen sei der Süden oben. Die Frau war allerdings auch aus der Region westlich des Ferghanatals. Ihr Verständnis von oben und untern schien lokaler geprägt als das des früheren Lehrers. Ich schrieb in meinem Feldbuch, dass »Öjdö« und»Eldi« Richtungen sind, die absolut ausgemacht werden können, die aber auch von Region zu Region variieren können. Diese Begriffe können auch ein räumliches Verhältnis zwischen zwei geographischen Orten bezeichnen. Mögliche Kriteriensysteme sind: die Himmelsrichtungen, das unmittelbar wahrnehmbare Gefälle, die Fließrichtung großer aber auch lokaler Flüsse. Es komme alles, so mein Eintrag sehr darauf an von wie großen geographischen Einheiten man ausgeht - etwas, das häufig in der Situation den Beteiligten selbstverständlich ist. Man müsse darauf achten wann wer welche Definition benutzt und wie groß die geographische Einheit dabei ist (z.B. wie weit die zwei Orte voneinander entfernt liegen). Kurz daraufhin führte ich ein Gespräch über genau diese Richtungsverweise mit einem Journalisten in Bischkek. Er bestand auf die Fließrichtungsdefinition. Diese ist mit naturwissenschaftlicher Rationalität gut vereinbar. Ich erklärte ihm dass wir bei uns häufig vom Norden als »oben« und dem Süden als »unten« sprachen. Er merkte etwas polemisch an, dass dies ja eine lustige Idee sei, Wasser aber nun mal nicht dazu im Stande ist von oben nach unten zu laufen. Ich gab ihm Recht. Ein Blatt Und unter diesem Ein Blatt Und unter diesem Ein Blatt Und unter diesem Ein Tisch Und unter diesem Ein Boden Und unter diesem Ein Raum Und unter diesem Ein Keller Und unter diesem Ein Erdball Und unter diesem Ein Keller Und unter diesem Ein Raum Und unter diesem Ein Boden Und unter diesem Ein Tisch Und unter diesem Ein Blatt Und unter diesem Ein Blatt Und unter diesem Ein Blatt Auf dem mein Computer jetzt steht, sodass das Kabel vom Adapter keinen Knick bekommt. |